Handys stören unsere Konzentration
Die viele Zeit zu Hause und das eingeschränkte Sozialleben lassen viele von uns vermehrt zum Handy greifen, mehr als es uns vielleicht eigentlich lieb ist. Das Handy ist an den langen dunklen Winterabenden in der Pandemie ein willkommenes Spielzeug, um aufkommende Langeweile zu killen und trotz Corona, mit Freunden und Familie in Kontakt zu bleiben. Aber irgendwie hinterlässt es in uns auch eine Leere und Unzufriedenheit, wenn wir anstatt wie ursprünglich geplant, ein Buch zu lesen oder eine Zeichnung anzufertigen, fast schon magisch angezogen nach dem Handy greifen und drei Stunden bei Instagram, WhatsApp, Tiktok und YouTube verbringen.
Handys und Flow
Doch vor lauter Medienkonsum haben wir vielleicht vergessen wie gut es tut, wirklich lange und konzentriert bei einer Sache zu bleiben. Wenn wir uns nämlich länger auf eine Sache konzentrieren, ohne dabei ständig unterbrochen zu werden und ohne dass wir uns selbst dabei unterbrechen, kommen wir nach 15 Minuten in einem geistigen Zustand den Psychologen Flow nennen.
„Flow (deutsch „Fließen, Rinnen, Strömen“) bezeichnet das als beglückend erlebte Gefühl eines mentalen Zustandes völliger Vertiefung (Konzentration) und restlosen Aufgehens in einer Tätigkeit („Absorption“), die wie von selbst vor sich geht – auf Deutsch in etwa Schaffens- bzw. Tätigkeitsrausch oder auch Funktionslust.“ (Definition aus Wikipedia)
Im Flow vergeht die Zeit wie im Flug, wir verlieren das Zeitgefühl und sind so konzentriert auf unser Tun, dass wir an nichts anderes mehr denken, außer an das, was wir gerade machen. Hier sind hochkonzentriert. Hinterher fühlen wir uns zufrieden und sind vielleicht sogar glücklich.
Ständige Unterbrechungen hindern den Flow
Aber seit dem Handyzeitalter nehmen wir uns selbst immer mehr die Chance, uns wirklich länger auf nur eine Sache zu konzentrieren, denn wir unterbrechen und ständig selbst mit dem kleinen Gerät. Im Schnitt alle 10 Minuten. Ein Flow-Erleben stellt sich aber erst nach 15 Minuten konzentrierter Tätigkeit ohne Unterbrechung ein. Wenn wir schon nach 10 Minuten Konzentrationsversuch auf das Handy schielen, dann haben wir gar keine Chance, überhaupt ein Zustand des Flows zu erleben. Entsprechend unbefriedigt fühlen wir uns, nachdem wir unsere Tätigkeit beendet haben. Ein Gefühl von nicht wirklich etwas geschafft zu haben, bleibt zurück, wer das Thema vertiefen möchte, dem empfehle ich einen Blick in das Buch „Digitaler Burnout“ von Alexander Markowetz.
Haben wir dann doch einen Flow-Zustand erreicht treffen wir auf ein anderes Dilemma: Den Produktivitätsverlust. Denn wir brauchen jedes Mal wieder 15 Minuten, um in einen Zustand des Flows und des wirklich konzentrierten Arbeitens zu kommen, wenn wir durch das Handy gestört werden. Klingelt das Handy beispielsweise in Minute 20, dann haben wir gerade mal wirklich 5 Minuten gehabt, in denen wir ganz konzentriert bei der Sache waren.
Auf der Arbeit geht das extrem auf Kosten unserer Produktivität und auch im Privatleben kriegen wir einfach nicht das zustande, was wir uns vorgenommen haben. Das macht uns unzufrieden und auf Dauer laugt es uns aus, weil wir aus unserem Tun keine Kraft schöpfen, sondern uns Kraft und Konzentration geraubt wird. Die Konsequenz daraus? Sorgen wir für ausreichend freie Zeit vom Handy und Phasen in denen wir uns wirklich lange am Stück nur auf eine Tätigkeit fokussieren. Auch während der Pandemie. Dennn besonders jetzt ist es wichtig, dass wir aus unserem Tun Kraft schöpfen können, um weiter gut durch die Krise zu kommen.
Dubrovnik macht es sichtbar
Vielleicht sehen wir aber auch gar keine Notwendigkeit darin, das Handy weniger zu benutzen oder es mal komplett auszusperren. Doch lasst mich dazu eine kurze Episode aus meinem Leben erzählen:
Mein Mann und ich haben unsere Flitterwochen in der sagenumwobenen Stadt Dubrovnik verbracht, auch Perle der Adria genannt. Die Stadt ist wirklich traumhaft schön, wie sie sich harmonisch in die Felsen der kroatischen Mittelmeerküste schmiegt, mit ihrer atmosphärischen Altstadt, den historischen Stadtmauern, den türkisblauen Meer und den allabendlichen Sonnenuntergängen überm Meer, den Malern in den Gassen der Altstadt und den Restaurants mit Livemusik und traditionellen Gerichten.
Bezaubert von diesem besonderen Ort, geriet das Handy für uns total in Vergessenheit, es hatte dort kein Platz. Wir wollten einfach nur unsere Umgebung sehen, hören, riechen und schmecken, das reichte. Ja, die Cevapcici in der kleinen Taverne waren einfach köstlich.
Man traute sich fast nicht das Ding hervorzuholen und ein Selfie vor den stolzen Stadttoren zu schießen. Diese Atmosphäre sollte einfach nicht zerstören werden. Und plötzlich spürte ich ihn wieder, den Unterschied, wie es war mit und ohne Handy. So voll eingetaucht in diesen wunderbaren Ort, riss mich das Handy aus meinem Erleben. Es riss mich aus dem Moment, trennte mich von dem schönen Ort, lenkte mich ab, von dem was eigentlich gerade um mich herum passierte.
Das wollte ich nicht. Fortan blieb es auf dem Ferienzimmer und mit jedem Tag, den es mehr auf dem Zimmer lag, wurden meine Sinne schärfer, mein Geist klarer, mein Inneres ruhiger. Selbst mein Mann, der sonst auch sehr viel Zeit mit dem Smartphone verbringt, ließ sein Handy oft in der Hosentasche und erwägte am Ende unserer Flitterwochen sogar, sich wieder ein analoges Oldschool Handy anzuschaffen.
Aus diesem Vorhaben ist zwar nichts geworden, wir haben beide nach wie vor ein Smartphone, aber unsere Erfahrungen aus der Zeit in Dubrovnik sind wertvoll. Ich bringe sie hier deswegen an, weil wir im Alltag nämlich den Unterschied zwischen „mit und ohne Handy sein“ oft gar nicht mehr merken. Nur durch diese wunderschöne Umgebung verstärkte sich für uns der Kontrast zwischen „mit und ohne Handy sein“ derart, dass wir den Unterschied wieder ganz deutlich sahen und spürten.
Unser ständiger Begleiter
Im Alltag bietet sich zudem auch wenig Gelegenheit zu handyfreien Zeiten. Wir sind quasi alle 10 bis 20 Minuten Online, außer vielleicht im Urlaub. Der Griff erfolgt mittlerweile automatisch und wir hinterfragen ihn auch gar nicht mehr, eine total selbstverständliche Handlung wie Zähne putzen oder Haare kämmen. Das Handy ist überall dabei, es ist bis in unsere privatesten Lebensbereiche vorgedrungen.
Mit Apps, die unseren Menstruationszyklus begleiten und Smartwatches, die unsere Körperfunktionen messen. Wir haben gar keine Möglichkeit mehr, Abstand zum Handy zu bekommen und den Kontrast zu sehen. Das Handy hat sich unentbehrlich gemacht. Es bietet uns so viele Tools und Anwendungen, mit denen wir unseren Alltag organisieren können und über die wir mit Freunden und Familie kommunizieren und auch auf der Arbeit läuft ein großer der Kommunikation online. Wenn wir dann Freizeit haben, entspannen wir mit wischen und tippen auf dem Sofa.
Nebenwirkungen der Begleitung
Wahrscheinlich fällt es uns auch durch die ständige Präsenz des Handys nicht auf, welche Effekte es auf unsere mentale Verfassung hat.
Der Zustand der Unkonzentriertheit, der Fahrigkeit, der Nervosität, Dinge, die wir vielleicht bei uns selbst oder bei unseren Kindern feststellen, sind normal geworden. Wir schieben es auf das zu viele Arbeiten, den Stress mit dem Vermieter, und waren unsere Kinder nicht schon immer Zappelphilipps? Zu abwegig kommt es uns vor, dass dieses kleine Helferlein, in seiner goldenen Hülle, mit dem sympathischen Stück Obst hinten drauf, dafür verantwortlich sein soll, dass wir nervöser, unruhiger und unkonzentrierter geworden sind. Aber vielleicht gibt uns ja dieses Zitat etwas zu denken, wenn wir noch Zweifel haben:
„Mein iPhone machte mich unruhig.
Ich konnte es in meiner Tasche fühlen, als ob es mich rief,
so wie der Ring Bilbo Beutlin rief. Es lenkte mich von
meinen Kinder ab. Es lenkte mich von meiner Frau ab.
Es lenkte mich zu jeder Zeit, an jedem Ort ab.
Ich besaß einfach nicht genügend Willenskraft,
um E-Mails und Twitter und Instagram und
das ganze Internet zu ignorieren.
Die Unendlichkeit in meiner Tasche
War zu viel für mich.“ (Jake Knapp, Produktdesigner für Google Ventures)
Never try, never know
Vielleicht wagen wir einfach den Test und geben uns Gelegenheit, den Unterschied wieder zu spüren.
Anfänglich werden wir eine gewisse Unruhe merken, wir werden feststellen, wie wir automatisch an das Ding denken und nach ihm greifen wollen. Widerstehen wir den Drang werden wir allmählich ruhiger, unsere Konzentration kehrt zurück, der Geist wird klarer und wir spüren ihn wieder den Unterschied wie es ist „mit und ohne Handy“. Wir merken wieder, wie wir uns mit dem Handy in der Hand fühlen und wie wir uns fühlen, wenn wir nicht alle 10 Minuten oder jede Stunde draufschauen.
Vielleicht stellen wir auch fest, dass uns andere Sachen eigentlich viel mehr Spaß machen, als uns auf Social Media zu tummeln und Profile von Teenie Influencern anzuschauen. Oder wir merken, wir sind vom Handy mehr gelangweilt, als wenn wir ohne die ständige Berieselung durch den Tag gehen und hier und da ein bisschen Langeweile ertragen. Was auch immer es sein mag, was wir entdecken, wenn wir den Unterschied wieder spüren.
Neugierig auf den Unterschied geworden? Dann probiere es aus! Es lohnt sich!
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